Experiment Haare schneiden
Der erste machte einfach was er wollte und verpasste mir eine 50er-Jahre Frisur mit Haartolle. Die zweite war ein wahres Abenteuer. Anstatt die Haare zu waschen, besprühte sie sie mit Wasser, schnitt danach ein paar Spitzen und zum Schluss flocht sie unaufgefordert ein paar Zöpfchen.
Nachdem ich mit Hilfe von Google einen Friseursalon mit guten Bewertungen gefunden hatte, ging ich voller Vorfreude dahin und dachte, dass ich bei dem nun endlich auch den Wunsch nach Strähnchen verwirklichen konnte. Ich weiss nicht, ob ich mich falsch ausdrückte, oder ob auch dieser Friseur machte was er wollte, aber zuerst färbte er alle Haare um anschliessend Strähnchen zu bleichen, was ich eigentlich gar nicht wollte. Es sah zwar fantastisch aus, aber der Preis war es ganz und gar nicht. Leider mein Fehler, dass ich zuvor nicht gefragt hatte.
So dachte ich mir, dass ich besser in meinem Freundeskreis nach Empfehlungen frage. Da wurde mir dann auch ein guter Friseur angegeben, doch nachdem ich am Eingang von Kopf bis Fuss mit Desinfektionsmittel besprüht wurde (das war während der Pandemie), hatte ich keine Lust mehr dahinzugehen.
So fing ich an mir selber die Haare zu schneiden. Doch nun wollte ich Stirnfransen, was ich dann doch nicht selber schnipseln wollte und suchte mir wieder einen Friseur.
Alles geklappt, nur der Preis für die Farbe war etwas hoch. Doch die kann ich das nächste Mal auch im Supermarkt kaufen.
Im Winter kommt es vor, dass man das Essen nach draussen verlegt
Was ich hier in Mexiko von Anfang an mochte, war das Klima. Die Sonne scheint gefühlt jeden Tag. Denn auch wenn es mal bewölkt ist, ist es nicht so grau und dunkel wie in der Schweiz. Die Tage, an denen es bereits morgens regnet, kann man an einer Hand abzählen.
Ausserdem sind die Temperaturen in Mexiko Stadt sehr ausgeglichen. Tagsüber haben wir nie unter 15°, aber auch sehr selten über 30° Grad Celsius. Die durchschnittliche Temperatur liegt am Nachmittag bei 23° Grad. Zwiebel-Look ist das ganze Jahr angesagt, denn an der Sonne ist es immer warm, wenn nicht sogar heiss, aber am Schatten oder drinnen eben nicht immer.
Eigentlich haben wir nur zwei Jahreszeiten, wobei ich die nicht unbedingt Sommer und Winter nennen würde, sondern eher Regen- und Trockenzeit. Die Trockenzeit beginnt im Oktober/November und dauert bis ungefähr April, während die Regenzeit im Mai beginnt und im September/Oktober aufhören sollte.
Regenzeit bedeutet aber nur, dass es jeden Nachmittag kurz und dafür heftig regnet. Als ich nach Mexiko kam, konnte man quasi die Uhr danach stellen. Von 17 bis 19 Uhr regnete es, davor und danach war es trocken. Da wir aber auch in diesem Land nicht vom Klimawandel verschont werden, ist auch hier das Wetter extremer geworden. Es kann also gut mal den ganzen Nachmittag oder sogar den ganzen Tag regnen. Aber wenn es regnet, dann wird meist gleich alles überschwemmt. Eigentlich sind es auch eher Gewitter. Im August/September haben diese Gewitter oder Regentage oft mit den Wirbelstürmen zu tun, die an der Küste vorbeiziehen. Selbst in der Regenzeit scheint jedoch die Sonne immer noch circa 7 Stunden täglich.
Ab Oktober wird die Luft kühler, im Schatten braucht man bereits eine Jacke, und da die Sonne tiefer steht, heizt sie die Häuser nicht mehr gleich auf. Die Wände bestehen aus Stein oder Ziegelsteinen, isoliert sind die Häuser nicht wirklich und Heizungen gibt es auch nicht. So kann es also in den Wintermonaten drinnen schon recht ungemütlich werden. Erstaunlicherweise gewöhnt sich unser Körper ein Stück weit daran und für den Rest gibt es warme Socken, dicke Pullover, Wolldecken, Bettflaschen und zur Not auch kleine Heizkörper. Im Winter kommt es dann aber auch mal vor, dass man das Essen nach draussen an die Sonne verlegt, wo es wärmer ist.
Der schneebedeckte Vulkan Iztaccíhuatl (24. November 2023)
Auch wenn manche Einheimischen etwas anderes sagen, schneien tut es in Mexiko City nicht. Jedenfalls nicht so, wie wir das in der Schweiz kennen. Die nahegelegenen Vulkane bedeckt es im Winter aber sehr wohl hie und da mit Schnee und mit dem blauen Himmel im Hintergrund sehen sie so spektakulär aus, dass sie es sogar in die Nachrichten schaffen.
Ungefähr von März bis Mai kommt dann gleich der Hochsommer, wo man den ungemütlichen Winter schnell wieder vergisst und täglich mit sehr warmen Temperaturen verwöhnt wird. Besuchern empfehle ich daher immer den März als beste Reisezeit, wer es aber lieber kühler mag, für den ist auch Dezember bis Februar ideal.
Chancen und Herausforderungen: Als Ausländerin auf Jobsuche in Mexiko
Etwas, was ich am Anfang total unterschätzt hatte, war die Jobsuche. Völlig blauäugig dachte ich damals, dass ich schon eine Arbeit finden würde. Und da ich ja sowieso etwas ganz anderes machen wollte, als was ich gelernt hatte, war ich auch offen für die Branche. Ich konnte mir vieles vorstellen, nur nicht mehr den ganzen Tag im Büro sitzen. Mein Wunsch war es eigentlich mehr draussen zu sein, nur noch vormittags zu arbeiten, meine Sprachen brauchen zu können und im Idealfall auch kreativ sein zu können.
Als ich Mexiko bereiste arbeitete ich gegen Kost und Logis ein paar Wochen in einem Hotel am Strand.
Vielleicht war es auch gut, dass ich nicht zu fest zweifelte und noch nicht wusste, wie schwierig es werden würde, denn sonst hätte ich gar nicht angefangen zu suchen.
Auch hier in Mexiko ist es natürlich so, dass man, wenn man legal arbeiten will, eine Arbeitserlaubnis braucht. Die Beantragung dieser Arbeitserlaubnis kann ein langwieriger Prozess sein und erfordert oft die Unterstützung eines Arbeitgebers. Die Zusage zu einer Stelle wiederum bekommt man meistens aber nur, wenn man bereits eine Arbeitserlaubnis hat. Denn auch für die Firmen ist es umständlich und kostspielig diese für einen Ausländer zu besorgen. Dann kommt noch dazu, dass auch in Mexiko bei der Stellenvergabe zuerst die Mexikaner berücksichtigt werden. Das ist aber nur die eine Seite.
Was ich damals noch nicht wusste war, dass man in Mexiko bei vielen Jobs nur sechs Tage Ferien pro Jahr bekommt, und das erst ab dem zweiten Jahr (in der Schweiz hat man mindestens 4 Wochen Urlaub pro Jahr, wenn nicht sogar fünf). Als ich das erfuhr, war das schon mal ein ziemlicher Dämpfer. Abgesehen davon, dass ich so kaum in die Schweiz hätte fliegen können um Familie und Freunde zu besuchen, reise ich auch gerne. Und ich kam schliesslich auch nicht nach Mexiko um nur noch zu arbeiten.
Und dann war da auch noch der Lohn. Man erschrickt schon, wenn man erfährt, dass man nur noch einen Bruchteil dessen verdienen würde, was man in der Schweiz erhielt. Natürlich braucht man in Mexiko weniger für das tägliche Leben, doch wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, Qualität ist auch hier teuer und eben, in die Ferien will man weiterhin.
Da stellten sich mir also mehrere Hindernisse. Einerseits die Ferien und der Lohn und andererseits die Arbeitsbewilligung. Dann kam auch noch die Lage hinzu. In einer Mega-Metropole wie Mexiko City ist es von Vorteil die Arbeitstelle in der Nähe der Wohnung zu haben, ansonsten verbringt man die Freizeit im Stau oder wie eine Sardine in der U-Bahn.
Doch mein Beispiel zeigt, dass es nicht unmöglich ist. Ich habe ein halbes Jahr lang intensiv gesucht, Initiativbewerbungen verschickt, aber auch auf Stellenausschreibungen reagiert. Ich habe verschiedene Kanäle ausprobiert wie Jobbörsen, LinkedIn, Handelskammern und persönliche Beziehungen. Irgendwann kam ich sogar an den Punkt, an dem ich als einziger Ausweg sah auf selbständiger Basis Deutsch zu unterrichten und Online Jobs, wie zum Beispiel Übersetzungen, auszuführen, was hier bei Ausländern sehr beliebt ist. Das habe ich dann eine Zeit lang gemacht, bis ich auf eine Frau gestossen bin, die mir den Tipp gab mich bei der Deutschen Schule zu bewerben. So habe ich eine tolle Arbeit gefunden, mit viel Urlaub und einem verhältnismässig anständigen Lohn und der Arbeitgeber hat sich sogar noch um die Aufenthaltsbewilligung und Arbeitserlaubnis gekümmert.
Geduld, Zuversicht und Flexibilität haben sich schlussendlich ausgezahlt.Kulinarische Sehnsüchte
Zwangsläufig muss man sich in einem fremden Land an gewisse Lebensmittel gewöhnen, wenn man nicht ganz darauf verzichten möchte. Das Brot schmeckt hier in Mexiko definitiv anders und luftig leichte „Gipfeli” (Croissants) sucht man vergebens. Schweizer Käse wie zum Beispiel Gruyère oder Tilsiter sind viel zu teuer also essen wir holländischen oder mexikanischen Käse. Schoko- oder Moccajoghurt gibt es nicht, als Alternative mische ich Naturjoghurt mit Kakao oder wenn ich Apfelschorle trinken will, verdünne ich Apfelsaft mit Mineralwasser. Die Schokolade ist bei weitem nicht so lecker wie die aus der Schweiz. Auch wenn der Kakao aus Mittel- und Südamerika kommt, haben die Schweizer eindeutig das beste Schokolade-Rezept erfunden. So auch das Mövenpick-Eis, das für mich mit Abstand eines der Besten ist. Doch habe ich mit der Zeit auch hier in Mexiko gute Eiscrememarken gefunden wie zum Beispiel Amorino (Foto) oder Santa Clara.
Abschliessend kann ich sagen, dass ich mich an Alternativen gewöhnt habe, doch gewisse kulinarische Sehnsüchte sind trotzdem da. Umso schöner, dass ich diese jeweils beim Besuch in der Schweiz stillen kann und das Essen dann umso mehr geniesse.
Der Regen in Mexiko ist nasser
Woran das liegt habe ich noch nicht herausgefunden. Aber auch wenn es nur nieselt, man wird innert kürzester Zeit klatschnass. Fallen grössere Tropfen vom Himmel oder bin ich regenempfindlicher geworden?
Abgesehen davon, kommt es, zumindest hier in Mexiko City, selten vor, dass es einfach nur ein bisschen regnet. Meistens sind es heftige Regenschauer oder Gewitter, die zwar nur von kurzer Dauer sind, aber massive Überschwemmungen anrichten. Wobei das überlastete und verstopfte Kanalisationssystem das seine dazu beiträgt.
Unsere Terrasse wird in der Regenzeit regelmässig zum Swimmingpool und manchmal sehen wir im Sommer sogar „Schnee“, wie im Juni vor einem Jahr, als es so stark hagelte, dass das Weiss auf der Strasse an Schneematsch erinnerte. Was man auf dem Foto nicht sieht, auf der gegenüberliegenden Seite der Tankstelle stürzte unter den Gewicht des Hagels das Dach eines Einkaufzentrums ein. Zum Glück gab es keine Verletzten.
Unsere Terrasse wird zum Swimming-Pool
Nein, das ist kein Schnee!
Eine Stadt so gross wie ein Kanton
Aufgewachsen bin ich sozusagen auf dem Land. Das Dorf in dem ich als Kind lebte hatte ca. 5'000 Einwohner. Später zog ich dann in eine Kleinstadt mit knapp 20'000 Einwohnern. Ich hatte eine Wohnung am Stadtrand, war also schnell in der Natur. Gearbeitet hatte ich in Zürich, mit über 400'000 Einwohnern die grösste Stadt der Schweiz. Ich genoss es auf dem «Land» zu wohnen und in der Stadt zu arbeiten. Egal was ich brauchte, ich fand es im Umkreis meiner Arbeit. Und am Wochenende genoss ich die Nähe zur Natur. Trotzdem konnte ich mir vorstellen irgendwann in eine Grossstadt zu ziehen.
Diese Vorstellung bezog sich allerdings auf Zürich, mit einer halben Million Einwohner. Wisst ihr wie viele Menschen in Mexiko Stadt leben? Im Stadtkern sind es über 8 Millionen (also wie die gesamte Schweiz). Wenn man den Ballungsraum jedoch miteinbezieht sind es über 20 Millionen Einwohner! Und für die, die lieber Flächen vergleichen: Mexiko Stadt ist fast so gross wie der ganze Kanton Zürich.
Ausblick auf einen kleinen Teil der Stadt
Ich hatte damals sehr viel Glück (ok, Geduld war auch dabei), dass ich eine Arbeit in der Nähe unserer Wohnung fand. Das ist hier keineswegs selbstverständlich. Wie in allen Grossstädten sind die Wohnungen im Zentrum teurer als ausserhalb. Die guten Arbeitsstellen sind jedoch im Zentrum. Das heisst, entweder verdient man gut genug um sich eine Wohnung an zentraler Lage leisten zu können, oder man muss pendeln. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist es nicht so teuer, aber sehr sehr mühsam. In der Schweiz beklagte ich mich, wenn ich im Zug nicht sitzen konnte, hier kann man froh sein, wenn man überhaupt in die Metro oder in den Bus passt.
Obwohl auf 2'250 Meter über Meer liegt Mexiko Stadt in einem Tal. Gesäumt wird dies unter anderen von den berühmten Vulkanen Iztaccíhuatl (weisse Dame) und Popocatépetl (rauchender Berg). El Popo, wie man ihn auch nennt, macht seinem Namen Ehre, denn er raucht tatsächlich fleissig. Vor wenigen Wochen spukte er sogar Feuer, wie man in den Nachrichten sehen konnte. Hier in der Stadt wird im schlimmsten Fall jedoch nicht mehr als Ascheregen erwartet und mittlerweile hat sich die Situation wieder etwas entschärft.
Die beiden Vulkane Iztaccíhuatl und Popocatépetl
Die Stadt liegt also in einem Tal, was zur Folge hat, dass sich die schlechte Luft ansammelt. Abgase, Rauch von Waldbränden oder eben vom Vulkan, alles bleibt über der Stadt hängen. Vor allem im Frühling, wenn es lange Zeit weder regnet noch windet, kann das sehr erdrückend werden. Zum Teil wird es so schlimm, dass Massnahmen ergriffen werden müssen, wie zum Beispiel, dass nicht alle Autos zirkulieren dürfen. Das wird dann ein paar Tage durchgezogen, bis sich die Luft wieder bessert.
Als hätten wir mit der schlechten Luft und dem Vulkan nicht schon genug Sorgen, sitzen wir auch noch auf einem tektonischen Puzzle. Das setzt sich zusammen aus der nordamerikanischen, der pazifischen und der Cocos-Platte. So werden wir immer mal wieder von Erdbeben durchgeschüttelt. Ich selber habe bisher schon einige miterlebt, darunter auch ein verheerendes. Da Erdbeben nicht vorhergesagt werden können erwischt es einem jedes Mal kalt. Entweder wird man vom markdurchdringenden Heulen des Alarms aufgeschreckt, oder man merkt plötzlich wie sich der Boden unter einem bewegt. Egal wie, das Herz beginnt schneller zu schlagen und man versucht sich zu erinnern, was man bei der Erdbebenübung gelernt hat. Ruhe bewahren heisst es immer, wenn es noch nicht bebt, abschätzen ob man es in 45 Sekunden nach draussen schafft. Ansonsten drinnen einen sicheren Ort suchen. Der Türrahmen ist es hier in Mexiko meistens nicht.
Da Teile der Stadt auf einem ausgetrockneten See liegen, bewegt sich dieser Boden wie Wackelpudding. Wir haben das Glück, dass unser Haus und auch unsere Arbeitsorte auf Vulkanstein stehen. Dort spürt man Erdbeben erst ab einer Stärke von 6,0. Ausser das Epizentrum liegt in der Stadt, was kürzlich vorkam, dann spürt man auch die angeblich schwachen.
Trotz diesen Schattenseiten ist Mexiko Stadt sehr lebenswert. Wie das Land selbst ist auch die Stadt sehr vielfältig. In unserer Freizeit können wir den nahegelegenen Nationalpark bewandern, im riesigen Unigelände Fahrrad fahren (das ist übrigens eine der grössten Universitäten des amerikanischen Kontinenten) oder im Park gegenüber Yoga-Stunden besuchen. Die beliebten Stadtviertel Condesa, Roma und Polanco bieten unzählige Cafës, Bars und Restaurants für Treffen mit Freunden. Auch gingen wir schon Minigolf spielen auf dem Dach eines Einkaufszentrums oder Go-Kart fahren im siebten Untergeschoss eines solchen. Kunst-, Kultur- und Gourmetfreunde kommen ebenso auf ihre Kosten wie Sportbegeisterte. Die Möglichkeiten sind fast endlos.
Strasse bei uns um die Ecke
Das Klima ist sehr angenehm. Im Sommer wird es selten über 30 Grad warm und im Winter steigen die Temperaturen tagsüber, trotz zum Teil frostigen Nächten, auf über 20 Grad. Während der Regenzeit muss man zwar mit starken Regen rechnen, aber die Tage an denen es vormittags bereits regnet kann man einer Hand abzählen.
Die Stadt überrascht auch mit ihren vielen Grünflächen. In jedem Viertel gibt es mehrere Parks, die zum Spazieren einladen, und dann ist da noch der Bosque de Chapultepec, mit seinen 4 Quadratkilometern die grösste Grünanlage Mexiko Citys mit einem See, einem grossen Zoo, verschiedenen Museen und einem sehenswürdigen Schloss. Aber nicht nur die Pärke machen Mexiko City grün. Auch grosse Strassen sind gesäumt von wuchtigen Bäumen und die Mittelstreifen werden regelmässig bepflanzt und gepflegt. Durch das angenehme Klima grünt ja auch immer alles.
Aussicht vom Schloss auf den Bosque de Chapultepec
So lebt es sich hier, in dieser Megametropole, recht angenehm und es wird nie langweilig. Aber vermissen tue ich natürlich die Alpen, die Freibäder und die kurzen Distanzen. Ein Landei bin ich wahrscheinlich, auch nach 8 Jahren in der Grossstadt, noch immer.
Pünktlich sein heisst, abzuschätzen wie viel der andere zu spät kommt...
Dieser Spruch trifft auf viele Mexikaner zu 100% zu. Und wir sprechen hier nicht nur von Minuten, es können auch Stunden sein.
Das absolut verrückteste Beispiel hatte ich in meinem ersten Jahr hier in Mexiko erlebt. Mein Freund und ich hatten uns mit seinen Cousins, am anderen Ende der Stadt, zum Essen in einem Restaurant, verabredet. Um 15 Uhr hätten wir dort sein sollen. Als wir um 14.30 Uhr noch immer zu Hause waren, wurde ich langsam nervös, denn um die Stadt zu durchqueren braucht man je nach Verkehr mindestens eine Stunde. Auf mein Drängen hin fuhren wir kurz darauf los, machten aber noch einen langen Abstecher in ein Geschäft, einen Halt am Geldautomaten und vorwärts kamen wir im Samstag-Nachmittag-Verkehr auch nicht wirklich.
Um 17 Uhr, also zwei Stunden nach der verabredeten Zeit, trafen wir gleichzeitig mit den Cousins beim Restaurant ein. Und das war definitiv nicht abgesprochen, denn zu keinem Zeitpunkt hatten sie miteinander telefoniert oder sich sonst irgendwie verständigt. Mein Freund sagte mir danach, dass er seine Cousins kenne und sie nie zur verabredeten Zeit am Treffpunkt seien. Er konnte also tatsächlich abschätzen, wie viel seine Cousins zu spät kommen.
Aussicht vom Torre Latinoamericana auf einen kleinen Teil der Stadt. Mexiko City ist riesig!
Das war natürlich ein extremes Beispiel, wie ich es in dieser Form danach nicht mehr erlebt hatte. Aber wenn man zum Beispiel zu einer Hausparty einlädt, treffen die meisten eine Stunde nach der angegebenen Zeit ein. Ich habe sogar mal gehört, dass es zum guten Ton gehört bei Verabredungen eine Viertelstunde zu spät zu kommen. Es wird grundsätzlich nicht so streng nach der Uhr gelebt, wie ich das in der Schweiz erlebt und gelebt hatte. Die öffentlichen Verkehrsmittel scheinen auch einen Fahrplan zu haben, nur hängt dieser nicht aus. Man geht dann einfach zur Haltestelle und wartet bis der Bus oder die Metro kommt.
Das ist die Bushaltestelle in Melaque. Siehst du sie? Da, an der Ecke ;-)
Als ich noch in Zürich arbeitete, ging ich praktisch nie zu früh aus dem Haus. Ich wusste genau wieviele Minuten ich zum Bahnhof brauchte und wie schnell oder wie langsam ich gehen konnte um den Zug gerade noch zu erreichen. Als ich einmal mit meinem Freund in der Schweiz in den Ferien war, machte ich das genau so, bis er schimpfte, was für ein Stress das sei. Ich erklärte ihm, dass wir den Zug verpassen würden wenn wir bummelten und dann lange warten müssten. Die meisten wissen, dass die Züge in der Schweiz im Halbstundentakt fahren, also so lange warten müsste man auch nicht. Ausserdem argumentierte mein Freund, dass man sich in dieser Zeit die Umgebung ansehen oder sich im Kiosk umschauen könnte. Da hatte er natürlich recht. Wenn ich in einem fremden Land bin, fülle ich mir die Wartezeit auch gerne so aus.
Aber ganz weg bringe ich diese Zeitmesserei doch nicht. Das steckt irgendwie in mir, denn wenn ich hier in Mexiko zur Arbeit fahre, mache ich das nämlich immer noch. Oder bei Arzt- oder geschäftlichen Terminen bin ich ein paar Minuten früher da. Und wenn ich alleine zu einem Fest eingeladen werde, wird mir die europäische und die mexikanische Zeit angegeben. Das heisst, die Mexikaner werden zum Beispiel auf 20 Uhr eingeladen und die Schweizer und Deutschen auf 21 Uhr. So treffen alle mehr oder weniger gleichzeitig ein.
Das mache ich übrigens auch so, wenn ich mit meinem Freund zu einer Verabredung gehe. Wir wurden mal von einer meiner deutschen Arbeitskolleginnen zum Abendessen eingeladen. Sie sagte mir, dass die Gäste zwischen 19 und 20 Uhr eintreffen. Also sagte ich meinem Freund wir müssten um 19 Uhr da sein. Was denkt ihr um welche Zeit kamen wir an? Punkt 20 Uhr. Von den Landsleuten meiner neuen Heimat gelernt habe ich aber trotzdem. Wenn ich merke, dass ich zu spät dran bin, nehme ich es gelassen, denn ich weiss, dass ich die einzige bin, die sich daran stört.